Am vergangenen Mittwoch gab es einen kleinen Knall im Berliner Regierungsviertel, der im Internet für ein großes Echo sorgte. Im Bundestag hatte an diesem Morgen die kaum bekannte "Kommission für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und Kommunikationsmedien" (IuK) des Ältestenrates beschlossen, das Beiteiligungstool Adhocracy für die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft (EIDG) nicht einzuführen.

Mehr Beteiligung

Man hatte sich für ein Experiment entschieden, als die EIDG nach langer Diskussion am 30. September 2010 Adhocracy auswählte, wie der Vorsitzende der Enquete Axel E. Fischer (CDU) damals schrieb. Die Hoffnung war eine größere Beteiligung des so genannten 18. Sachverständigen zu ermöglichen und somit auch mehr Sachverstand der Bürger in die EIDG hinein zu tragen. Mit der Software Adhocracy können gemeinschaftlich Texte verfasst werden, die Beteiligten können unterschiedliche Versionen erarbeiten und darüber abstimmen. Des Weiteren kann jedes angemeldete Mitglied seine Stimme auch weiterleiten, wenn dieses bei einem Thema den Sachverstand eines anderen höher bewertet. Die Einführung dieses Systems, welches auf der Idee von Liquid Democracy beruht, wäre weltweit für parlamentarische Demokratien einzigartig gewesen.

Scheitern

Doch dieses Experiment ist vorerst abgeblasen und hat mehr parlamentarischen und medialen Staub im Bundestag aufgewirbelt, als die (versuchte) Einführung durch die EIDG. Die "Koalition stellt den Erfolg der Internet-Enquete infrage" und "werfe ein schlechtes Licht auf das Parlament, durch ihre schwarz-gelbe Dagegen-Haltung" schreiben die drei Obleute der Opposition Lars Klingbeil (SPD), Halina Wawzyniak (Linke) und Dr. Konstantin von Notz (Grüne) in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Mit der bis zu 80.000 Euro teuren Einführung von Adhocracy begründeten hingegen Teile der Koalition die Ablehnung. Außerdem gibt es keine sichere Lösung für das Anmeldeverfahren. Warum allerdings ein Open-Source-System so teuer sein sollte, wird nicht geklärt. Auch ist das Problem mit dem Anmeldeverfahren nur schwer verständlich. Schließlich funktioniert die Anmeldung zum Beispiel auf dem Petitionsserver über die E-Mail-Adresse ähnlich.

Probleme

Ob Adhocracy jemals den Erwartungen gerecht geworden wäre, ist allerdings fraglich. Denn das Deligiertensystem – also das Übertragen der eigenen Stimme – wird bei einer offenen, möglicherweise sehr großen Gruppe schnell unübersichtlich. Auch müsste diese Plattform redaktionell in irgendeiner Form betreut werden. Ebenfalls fraglich bleibt, ob das Sekretariat der Enquete dies leisten kann, das schon mit der Dokumentation und einem kaum genutzten Twitter-Account überfordert scheint. Außerdem bedeutet die Einführung eines neuen Tools nicht gleichzeitig eine Steigerung der Beteiligung. Das Forum und das Blog der Enquete sind nahezu verlassen. Was aber auch daran liegt, dass die Mitglieder der EIDG sich dort kaum einbringen. Enquete Kommission Internet digitale Gesellschaft Cheat Sheet

 

Der 18. Sachverständige lebt!

Zum Schluss bleibt also mehr die symbolische Wirkung der Entscheidung, die sich gegen Experimente sowie mehr Beteiligung und Einbindung der Bürger richtet. Doch ist das somit der Tod des 18. Sachverständigen? Nein.

Wenn beispielsweise Manuel Höferlin (FDP) schreibt: "Solange Ihr euch nicht mehr einbringt, und zwar über die vorhandenen Kanäle, können wir den Bedarf für Beteiligungsmöglichkeiten nicht glaubhaft vermitteln"; dann sollte man seine Worte ernst nehmen. Wenn der verstaubte Bundestag keine neuen Wege schaffen will, dann sollte man die nutzen, die vorhanden sind. Und die Möglichkeiten sind zahlreich vorhanden. Fast alle Mitglieder haben eine Website oder einen Blog und die meisten nutzen Facebook und Twitter. Um den Überblick über alle möglichen Kanäle zu behalten, haben wir das EIDG Cheat-Sheet erstellt, mit einer Übersicht über die wichtigsten Kontaktmöglichkeiten der 34 Enquete-Mitglieder.

Lade das #EIDG Cheat-Sheet herunter!

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Klas Roggenkamp

Klas Roggenkamp

… macht wahl.de seit 2005, seit 2016 für appstretto. Verbindet Digital & Politik zu erfahrbaren Angeboten – technisch, inhaltlich, optisch. Wahlkampferprobt und agenturerfahren.
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