In Sachsen-Anhalt - dem Land der Frühaufsteher - ist am Sonntag Landtagswahl. Doch scheinen die Parteien einiges in der Entwicklung des Online-Wahlkampfes verpennt zu haben. An anderer Stelle sind sie hingegen ganz aufgeweckte Kerlchen. Die anhaltinischen Parteien präsentieren sich ein wenig wie der Harz, mit vielen Höhen und Tiefen. Wir haben uns auf den Hexentrip begeben und uns einmal die Websites der fünf großen Parteien und ihrer Spitzenkandidaten sowie deren Aktivitäten in den Sozialen Netwerken betrachtet.

CDU

Die CDU steht vor einer Zeitenwende. Denn schließlich tritt ihr langjähriger Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer ab und der bisherige Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff soll ihn im Amt beerben. Dieser innere Wandel wird leider nicht nach außen getragen – zumindest nicht in den Internet-Auftritten der Partei. Die Website präsentiert sich im grafischen Gewand der 90er Jahre und bietet außer einer großen Anzahl von .pdfs nicht viel. Als weitere Inhalte werden nur Pressemitteilungen zur Verfügung gestellt, ohne Kommentarfunktion.

Um sicher zu gehen, dass man auch sonst nicht digital mit dem Wähler agieren muss, verzichtet die CDU Sachsen-Anhalt auch großzügig auf alle Aktivitäten im Social Web. Kein Facebook, kein Twitter und auch kein YouTube. Für den offiziellen Wahlkampf-Spot musste der YouTube-Kanal der JU Wernigerode herhalten. Der Spot ist zwar grafisch gut umgesetzt, dafür lässt man den eigenen Spitzenkandidaten Haseloff nicht einmal zu Wort kommen und lässt dafür lieber Böhmer ins Mikrofon nuscheln. Aber immerhin knapp 1.400 Aufrufe.

Die Internet-Präsenz von Haseloff wirkt dagegen wohltuend modern. Jedoch verbirgt sich hinter dem Hochglanz-Layout auch nur eine Textwüste ohne Interaktionsmöglichkeiten. Doch zumindest wird Facebook in die politische Arbeit mit einbezogen. Die Politiker-Seite wird größtenteils von Hand gepflegt und hat mit über 1.300 Fans eine verhältnismäßig große Community. Leider wird Twitter von Haselhoff nur als Zweitverwertung der Facebook-Inhalte genutzt. Daraus resultiert auch die geringe Follower-Zahl von ca. 270 Interessierten.

Ansonsten präsentieren sich auch andere Kandidaten der CDU in Sachsen-Anhalt den Neuen Medien nicht unaufgeschlossen. Von den insgesamt 51 Kandidaten sind 23 auf Facebook und sieben auf Twitter vertreten.

Die Linke

Denn Platz als zweitstärkste Fraktion im Landtag will die Linke nicht aufgeben und geht mit Wulf Gallert als Kandidat für den Ministerpräsidenten-Job in den Wahlkampf. Die Landesverband-Webseite ist im klassischen Stil der Linken gehalten und somit relativ modern. Jedoch muss man fast schon danach suchen, um festzustellen das sich auch die Linke im Wahlkampf befindet, denn Inhalte und Grafiken weißen kaum darauf hin. Neben den typischen Elementen einer deutschen Parteienseite, ist die Linke die einzige Partei in unserem Vergleich die ein Spenden-Barometer prominent auf der Startseite präsentiert. Leider wird aber kein Spendenzeitraum noch ein Verwendungszweck mitgeteilt – klassische Elemente einer Fundraising-Kampagne. Wie bei allen anderen Parteien, ist auch bei der Linken nur eine Banküberweisung als Spende möglich. Über die Möglichkeiten von Online-Spenden wurde anscheinend kein Wahlkampfleiter in Sachsen-Anhalt aufgeklärt.

Auf Facebook wird gänzlich verzichtet und auch auf Twitter kann die Linke mit gerade einmal 52 Tweets und 59 Followern keinen großen Wurf landen. Auf dem parteieigenen YouTube-Channel werden sechs Videos zum aktuellen Wahlkampf präsentiert: fünf vom Parteitag mit Reden verschiedener Kandidaten und dem  Wahlkampfspot. Das über 1.000 mal aufgerufen Video stellt Spitzenkandidat Gallert in den Mittelpunkt, welcher artig politische Positionen postuliert. Um sicher zu gehen, dass die Wähler auch glauben, dass er ein bedeutender Politiker ist, werden zum Ende auch noch einige populäre Bundespolitiker der Linken mit hinein geschnitten. Dies zerstört aber die ansonstigen stimmige Szenerie.  

Wulf Gallert hat auch einen eigenen YouTube-Kanal, allerdings wurde dieser zuletzt vor fünf Monaten genutzt. Genauso lebendig präsentiert sich seine Website die unter der weitsichtigen URL wulfgallert-mp.de erreichbar ist. Hier erfährt man nur, was der Mann in seinem bisherigen Leben getan hat und wann er wo in den nächsten Tagen auftritt. Im Sozialen Netz präsentiert sich Gallert auf Facebook (ca. 670 Fans) und Twitter (87 Follower). Nein: Lässt sich präsentieren, denn alle Beiträge sind in der dritten Person formuliert.

Auch die anderen Politiker der anhaltinischen Linken scheinen mit den Möglichkeiten des Internets zu hadern. Von den 50 Kandidaten sind nur 12 auf Facebook und 9 auf Twitter anzutreffen.

SPD

Auch die SPD kämpft in Sachsen-Anhalt um den Posten des Ministerpräsidenten, den gerne Spitzenkandidat Jens Bullerjahn für sich beanspruchen möchte. Die Website der Sozialdemokraten ist anhaltinischer Standart: Textwüsten, die größtenteils aus Pressemitteilungen ohne Kommentarfunktion bestehen. Aber es gibt einige Lichtblicke! So wurde extra für das Wahlprogramm eine eigene Seite geschaffen und online aufbereitet. Nur die Linke hat ebenfalls begriffen, dass eine .pdf nicht user- und wählerfreundlich ist. Die anderen haben diesbezüglich viel verschenkt.

Außerdem nutzt die SPD eine Art Narchichtenaggregator, der aktuelle Nachrichten, Tweets, Videos und andere Informationen aus dem Netz der SPD Sachsen-Anhalt sammelt. Einen ungewöhnlichen Weg wurde mit einer App für iOS begannen: ein interaktives, politisches Hörspiel. Die kostenlose Anwendung versetzt den Nutzer in eine alltägliche Situation und lässt mit verschiedenen Personen eine Unterhaltung führen. Dabei werden unterschwellig Positionen der SPD transportiert. Eine spannendes Experiment, was zwar nicht hundertprozentig zu Ende gedacht wurde, aber viel Respekt für diesen innovativen Einsatz verlangt.

Die Facebook-Seite wird persönlich und mit einem RSS-Feed bestückt, hat aber nur rund 400 Fans. Das liegt vielleicht auch an der Masse an Beiträgen. Teilweise wird hier pro Stunde eine Beitrag veröffentlicht – viel zu viel. Auf Twitter werden zwei Accounts genutzt – einer mit und einer ohne RSS-Feed. Der eine knapp unter 100, der andere knapp über 100 Follower. Der YouTube-Account hat keine eigenen Beiträge, wird aber als Sammelstelle für verschiedene andere Angebote genutzt, wie zum Beispiel die Videos von Spitzenkandidat Jens Bullerjahn.

Das dort zu findende Wahlkampfvideo ist mehr als verwirrend. Schließlich wird viel über bzw. von Wolfgang Böhmer, also dem bisherigen Ministerpräsidenten, gesprochen und gezeigt. Dieser ist aber in der CDU und nicht in der SPD. Trotz oder vielleicht deswegen hat der Spot knapp 3.000 Aufrufe.

Die Accounts von Bullerjahn auf Facebook und Twitter sind gut betreut mit multimedialen Inhalten und dem jeweiligen Medium angepasst. Es wird sogar Soundcloud genutzt um zum Beispiel die Spots fürs Radio zu präsentieren. Mit über 2.600 Fans und 243 Followern scheint man einiges richtig gemacht zu haben.

Dieser Eindruck bleibt auch beim ersten Blick auf die Webseite des Spitzenkandidatens. Allerdings versteckt sich unter Blog auch nur eine Ansammlung von Pressemitteilungen ohne die Möglichkeit der Interaktion. Interessanter ist dagegen das eigene Soziale Netzwerk mein.bullerjahn2011.de. Die Plattform bietet Pinnwand, Profil und Downloadbereich sowie Gruppen, in welchen Foren angelegt und Dokumente verteilt werden können. Die geringe Anzahl der Mitglieder und die kaum vorhandenen Aktivitäten weisen allerdings darauf hin, dass das Netzwerk durch die Unterstützer nicht angenommen wurde.

Die 45 Kandidaten der SPD nutzen das Sozial Netz durchschnittlich. Es gibt 18 Politiker auf Facebook und fünf auf Twitter.

FDP

Die FDP kämpft um ihren Wiedereinzug ins anhaltinisch Parlament und präsentiert sich auf ihrer Website im modernen Design. Auf dieser gibt es sogar – oh Wunder – eine Kommentarfunktion unter den Beiträgen. Allerdings wird diese nicht durch die Nutzer genutzt. Warum sollte man auch unpersönliche und mechanische Pressemitteilungen kommentieren? Ansonsten bietet die Seite nicht mehr als das Gewöhnliche, zumal sich unter dem Punkt "Kampagne" nur die Plakate der FDP verbergen.

Auf Facebook nutzt man statt einer Seite ein Profil mit 1.300 Freunden. Dieses kann natürlich, je nach Wahlkampfstrategie, einige Vorteile bieten. Allerdings sollte man auch aufpassen, welche Funktionen man nutzt. Schließlich wirkt es seltsam, wenn man ließt, dass die FDP Sachsen-Anhalt gerne  Helmut Orosz hört und WISO gerne im TV sieht. Um nicht so viel Aufwand mit den Neue Medien zu haben, hat man sich des weiteren dazu entschieden nur den Stream von Twitter einzubinden, anstatt die Inhalte ordentlich für Facebook aufzubereiten. Dafür nutzt man aber zwei Twitter-Accounts ohne erkennbaren Grund. Diese werden aber ordentlich geführt, mit selbstgeschrieben Beiträgen und der Verwendung von Hashtags. Damit kommen auch schnell 770 bzw. 1.200 Follower zustande.

Auf YouTube wird verzichtet und muss deshalb auf dem Account eines FDP-Politiker zurückgreifen um den Wahlspot zu veröffentlichen. Beim zeigt sich wieder, dass man auch mit einfachen Mitteln einen gutes Video produzieren kann. Anstatt Bewegtbilder zu verwenden, werden Fotos aufbereitet und mit Musik und Off-Sprecher versehen.

Die Seite von Spitzenkandidat Veit Wolpert ist einfach und auf das Wesentliche reduziert: Biografie, politische Standpunkte und weiterführende Links. Um ja nicht in Interaktion mit dem Wähler treten zu müssen, wird auf die persönliche Nutzung von Social Media verzichtet.

Bei den anderen Kandidaten scheint der Wille zu mehr Interaktion auch kaum vorhanden zu sein, schließlich finden man von den 44 Kandidaten nur fünf auf Facebook und sechs auf Twitter.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen hoffen in Sachsen-Anhalt auf einen Einzug in den Landtag und tun dafür – zumindest im Netz – einiges. Die Website präsentiert sich im klassischen Design der Partei und ist somit vom optisch sehr modern und bietet technisch einige Funktionen. So gibt es zum Beispiel den Grün-O-Mat, mit welchem seine eigenen Positionen mit denen der Partei verglichen werden kann. Auch wird ein Formular zur Verfügung gestellt, in dem sich Unterstützer eintragen und ihre Dienste anbieten können. Zwar bieten die Grünen ihr Wahlprogramm auch nur als .pdf an, doch gleichen ihre Themenseiten, dass fast schon wieder aus. Auf diesen werden Standpunkte mit aktuellen, themenbezogen Beiträgen verknüpft. Diese sind zwar auch nur Pressemitteilungen, aber wenigstens gibt es eine Kommentarfunktion.

1. Update: Auch die Grünen bieten ihr Wahlprogramm als html-Version an. Allerdings ist es auf ihrer Website wirklich gut versteckt.

Zur Interaktion wird auch Facebook genutzt. Auf der Seite tummeln sich knapp 500 Fans. Die Beiträge sind multimedial und werden von Hand erstellt. das gleiche Bild zeigt sich auch auf Twitter. Hier wird mediengerecht gezwitschert. Somit kommen die Grünen hier auf 650 Follower. Auf YouTube wurden für den Wahlkampf vier Videos hochgeladen. Der Spot ist nur allein schon von der Bildsprache wirklich gut gelungen. Mit einem weiteren Video, in dem der Wahlvorgang thematisiert wird, haben die Grünen Humor bewiesen und sehr schön veranschaulicht wie man die technischen Möglichkeiten von YouTube nutzen kann.

Die Website von Spitzenkandidatin Prof. Claudia Dalbert bietet die klassischen Elemente im grünen Design. Angenehm auffällig ist, dass hier auch persönliche Texte von der Kandidatin veröffentlicht werden. Persönlich geht es auch in den Sozialen Medien zu. Allen Anschein nach twittert Dalbert persönlich (149 Follower). Auf Facebook findet man sie als Profil und als Seite, welche auch beide anscheinend persönlich betreut werden. Sie hat hier 585 Freunde und 46 Fans.

Die anderen grünen Kandidaten scheinen den Neuen Medien auch vergleichsweise stärker aufgeschlossen zu sein: Von den 42 Kandidaten sind 18 auf Facebook und zwölf auf Twitter vertreten.

Fazit

Man darf bei einem Vergleich mit anderen Landtagswahlkämpfen natürlich nicht vergessen, das gerade in Ostdeutschland die Parteien personell und finanziell weniger stark aufgestellt sind, als in anderen Bundesländern. Somit ist natürlich die technische und redaktionelle Betreuung schwieriger. Dafür gibt es aber auch sehr überraschende Aktivitäten und Angebote, die man so nicht erwartet. Trotzdem: Das manche Standards der politischen Kommunikation im Internet 2011 immer noch nicht eingehalten werden ist traurig und für die Parteien schädlich. Gerade in einem Bundesland mit einer kaum ausgeprägten Parteistruktur bietet das Internet viele Möglichkeiten um mit den Bürgern zu interagieren und zur Zusammenarbeit zu bewegen. Hier werden viele Chancen vertan.

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wahl.de Redaktion

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